Gedanken zum Vortrag von Gunter Dueck: Das Internet als Gesellschaftsbetriebssytem

Ich finde den Vortrag sehr nachdenkenswert und auch durch die Art des Vortragens sehr interessant. Sehr vielen Gedanken kann ich zustimmen, so dem, was zum Internet als Lebensader oder zu Infrastrukturen des Staates gesagt wird.

Wenn jedoch gesagt wird, „IQ“ wäre im Internet und viele wüssten im Beruf eher weniger als ein „frisch Gesurfter“ (Beispiele: Bankberater zu Geldanlagemöglichkeiten oder Arzt zu Operationsmethoden), was dazu führe, dass die meisten Berufe verschwänden, weil sich jeder ja das Wissen aus dem Internet holen könne, dann scheint mir, dass Information mit Wissen verwechselt wird.

Im Internet sind Informationen. IQ im Sinne von Intelligenz ist nötig, um daraus Wissen zu generieren. Der „Frisch Gesurfte“ kann die Informationen nur zu Wissen verarbeiten und etwas damit anfangen, wenn er Vorwissen hat, an das er anknüpfen kann. Die Informationen über Geldanlagemöglichkeiten oder Operationsmethoden nützen mir nur etwas, wenn ich sie zu Wissen verarbeiten kann! Wissen ist „Speicherung, Integration und Organisation von Information im Gedächtnis. […] Wissen ist organisierte Information, es ist Teil eines Systems oder Netzes aus strukturierten Informationen.“ (Robert Solso: Kognitive Psychologie, Heidelberg, Springer, 2005, S. 242). Ähnlich hier: „Information ist der Rohstoff für Wissen. […] Damit aus Information Wissen wird, muss der Mensch auswählen, vergleichen, bewerten, Konsequenzen ziehen, verknüpfen, aushandeln und sich mit anderen austauschen.“ (Gabi Reinmann-Rothmeier und Heinz Mandl: „Wissen“, in: Lexikon der Neurowissenschaften, Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag, 2001, Band 3, S. 466).

Notwendig scheint mir also zu lernen, wie man aus den Informationen für sich selbst Wissen generieren kann. Lernen ist hier gemeint im Sinn des konstruktivistischen Ansatzes:

Im Gegensatz zum Behaviourismus betont der Konstruktivismus die internen Verstehensprozesse und in Abgrenzung zum Kognitivismus lehnt er die Annahme einer Wechselwirkung zwischen der externen Präsentation und dem internen Verarbeitungsprozeß ab. Der Sichtweise von Lernen als einem Informationsverarbeitungsprozeß wird die Vorstellung von Wissen als der individuellen Konstruktion eines aktiven Lerners in einem sozialen Kontext gegenübergestellt. Dem Vorwissen des Lernenden kommt insofern entscheidende Bedeutung zu, da neues Wissen stets im Bezug darauf konstruiert wird und die Aktivierung von Vorkenntnissen, ihre Ordnung, Korrektur, Erweiterung, Ausdifferenzierung und Integration die entscheidende Rolle spielen. Durch Lernen werden individuelle Konstrukte aufgebaut, verknüpft, reorganisiert und modifiziert, und zwar stets unter dem Prinzip der aktuellen und zulünftigen Zweckmäßigkeit. Lernen bedeutet nach dem konstruktivistischen Paradigma aktives Wahrnehmen, Erfahren, Handeln, Erleben und Kommunizieren.“ (http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Lerndefinitionen.shtml)

Das wäre sicher ein Schritt zur Bildung zur Professionalität, die Gunbter Dueck in seinem Vortrag fordert, wobei Professionalität von ihm meiner Meinung nach sehr stzark aus der Perspektive der Wirtschaft gesehen wird. Sicher defginiert jedes Fach Professionalität etwas anders, auch wenn grundlegende Elemente wie emotionale Intelligenz, Kooperationsfähigkeiot, interkulturelle Kompetenzen u.ä. In jedem Bereich Bestandteil sind.

Die Kritik, dass Bildung bachelorisiert und vercreditpointet wird („Kurzzeitwissen immer genau bis zur Klausur“), teile ich vollständig. Genau dies ist das Problem, dass einer Bildung zur Professionalität entgegensteht. Und: Auch wenn die Einteilung in X- und Y-Menschen sicher ein sehr vereinfachtes Menschenbild ist – ich habe das Gefühl, dass die Mehrzahl meiner Studenten durch das Bildungssystem, das sie durchlaufen haben, eher X-sozialisiert sind. Wenn ich in der Bildung nun davon ausgehe, dass alle Y-Menschen sind, die Bildungssozialisation – selbst an der Uni – aber immer noch mehr in Richtung X geht (s. bachelorisiert und vercreditpointet) , dann habe ich ein Problem. Angebote zum selbstwirksamen Lernen (s. Lerndefinition weiter oben) können dann frustrierend werden (für Lerner und Lehrer). Also Didaktik der kleinen Schritte, aber wie in einem System, dass Referatedidaktik selbstwirksamem Lernen in Projekten vorzieht und in dem die so Sozialisierten selten fragen, was man in einem Seminar lernen kann, sondern meist wissen wollen, wieviele Kreditpunkte sie bekommen können (habe ich selbst mehrfach erlebt). Wie in einem System, in dem ein großer Teil der universitären Lehre von „Wissenschaftspräkariat“ übernommen wird (vgl. z.B. http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/ausbeutung-an-der-uni-lehre-fuer-21-40-euro-stundenlohn-a-697445.html), wodurch eher keine Motivation zu großen Veränderungen bestehen dürfte?

Den Appell „Wir müssen anfangen!“ unterschreibe ich sofort, aber einfach ist das nicht, selbstverantwortetes Lernen in diesem System zu organisieren. 

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