E-Mail-Projekt „Interkulturelle Bewusstheit“ (WS 1998 – WS 2007)

Im Wintersemester 1998 begann ein Seminar als E-Mail-Projekt unter dem Titel „Interkulturelle Bewusstheit“. Dieses E-Mail-Projekt wurde bis zum Wintersemester 2007 als Lehrveranstaltung angeboten, passte dann aber nicht mehr gut in die neuen Bachelorstudiengänge mit ihren Hausaufgaben, Referaten und Hausarbeiten als in der Studienordnung vorgeschriebenen Prüfungsleistungen. Da passte ein E-Mail-Austausch und das Erstellen einer Projektwebseite nicht mehr.

Da der Uni- Server, auf dem das Projekt gehostet war, im Frühjahr 2012 abgestellt wurde, kann ich die Projektseite nicht mehr verlinken und will deshalb hier kurz aus der damaligen Seminarbeschreibung zitieren:

Lernziele

  • Am Beispiele von Inhalten deutscher Kultur (Kultur verstanden als Orientierungssystem nach Thomas) sollen die Projektteilnehmer die fremde Perspektive des jeweils anderen Partners zur Kenntnis nehmen und sie versuchsweise und zeitweise übernehmen, um sich damit in eine perspektivische Betrachtung einer anderen Kultur einzuüben.
  • Dabei soll zugleich Wissen sowohl über die eigene Kultur als auch über die Herkunftskultur des ausländischen Email-Partnerstudenten als fremde bzw. eigene Kultur erweitert werden.
  • Zugleich sollen die Seminarteilnehmer Arbeitsweisen handlungsorientierten Lernens (Projektarbeit) mit moderner Kommunikationstechnik kennenlernen, ausprobieren und durch die selbständige Erarbeitung eines Dossiers im Email-Tandem Fähigkeiten im Sammeln, Reflektieren und Interpretieren von Erscheinungen einer anderen Kultur erwerben.
  • Eine Evaluation des methodischen Vorgehens während des Email-Projektes erweitert die didaktischen Fähigkeiten der Dresdner Studenten im Hinblick auf den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien bei Projektarbeit.
  • Die Email-Partner mit nichtdeutscher Muttersprache profitieren neben diesen kulturellen und didaktischen Lernzielen auch sprachlich, indem sie ihre Kommunikationsfähigkeiten insbesondere im Schreiben und Lesen durch die authentische Kommunikation mit deutschen Email-Partnern erweitern.

Inhalte
Die E-Mail-Partner erstellen im gemeinsamen Austausch eine Webseite als Dossier. Die Themen für die Dossiers können frei gewählt werden. Sicherlich muß das jeweilige Thema von den E-Mail-Partnern für ihre Dossiers gemeinsam abgesprochen und konkretisiert werden. 
Ein grobes Auswahlraster, um Perspektiven für diese Konkretisierung zu finden, bieten die folgenden elementare Daseinserfahrungen als anthropologische Grundkategorien (nach Neuner 1994, S. 23):

  • Geburt und Tod
  • Personale Identität („Ich“/ Existenz/ personale Eigenschaften)
  • Leben in einer Familie (Verwandschaftssysteme/ private Gemeinschaften: „Wir“/ Ähnlichkeitsbeziehungen/ Zugehörigkeit)
  • Leben in einer größeren politischen Gemeinschaft (Sozialordnung/ Sozietätsorganisation: „Wir“)
  • Partnerbeziehungen (Freundschaft/ Liebe: Beziehungen der Geschlechter)
  • Umwelt (Physische Eigenschaften/ Umweltbezug und -relationen)
  • Arbeiten (Existenzsicherung)
  • Ausbildung/ Erziehung
  • Erholung/ Kunst (Handlungen ohne unmittelbare materielle Zwecke; Freizeit und Unterhaltung) Versorgung/ Konsum
  • Verkehrsteilnahme/ Mobilität (Erfahrung von Raum)
  • Kommunikation (Benutzung von Zeichensystemen/ Medien)
  • Gesundheitsfürsorge (Gesundsein – Kranksein/ Hygiene)
  • Erfahrung von Norm- und Wertsystemen (Ethik/ Religion/ Sinnsysteme)
  • Erfahrung von Geschichtlichkeit (Zeiterfahrung)
  • Erfahrung geistiger und psychischer Dimensionen (Reflexion und innere Repräsentation von Realität/ Imagination/ Erinnerung/ Selbstreflexion/ Emotionalität etc.)

Theoretische Grundlagen und Orientierungshilfen beim Nachdenken über die eigene und die fremde Kultur und für den E-Mail-Austausch bietet das Kursbuch und die darin enthaltenen Aufgaben.

Methoden
Methodisch soll folgendermaßen vorgegangen werden:

1. Teil:
 Schwerpunkt ist die Anfertigung eines Dossiers. Methode ist hier die Partnerarbeit zwischen dem deutschen und dem nichtdeutschen Email-Partner. Die Ergebnisse dieser Partnerarbeit sollten möglichst als eine Seite im Internet dargestellt werden. Dazu werden wir in Dresden zu Beginn unserer Arbeit erste Schritte in der HTML-Programmierung gehen. Das Dossier führt für die Dresdner Studenten zu einem benoteten Leistungsnachweis.

2. Teil: 
Zur theoretischen Verständigung zu Fragen des interkulturellen Lernens (Kultur; Stereotype; Manifestationen kultureller Unterschiede; Dimensionen von Nationalkulturen und anderes) dient das Lesen und Bearbeiten von Texten, die im Internet in einem Kursbuch zur Verfügung gestellt werden. 
Diese Texte werden von den Dresdner Studenten als Voraussetzung für einen qualifizierten Studiennachweis bearbeitet. Dazu gehört:

  1. Kurze Antworten auf die Fragen im Kurbuch an den Dresdner Projektleiter bzw. eine noch einzurichtende Mailing-Liste unter Nutzung von E-Mail
  2. Diskussion der Texte im Kursbuch bei regelmäßigen Treffen der Dresdner Studenten.

Ob und in welchem Umfang auch zwischen dem den deutschen und den ausländischen Mail-Partnern ein Austausch zu den Fragen im Kursbuch stattfindet, ist von den Partnern bzw. Partner-Lehrern im Laufe des Projektes zu klären.“

In der Praxis wurde  meist zuerst der E-Mail-Austausch durchgeführt und dann auf dieser Grundlage das Dossier erarbeitet. Einen E-Mail-Austausch gab es u.a. mit Studierenden aus den USA, aus Frankreich, aus Bulgarien, aus Uganda …

Das Projekt wurde 1998 von Regine Richter in ihrem Aufsatz „Interkulturelles Lernen via Internet?“ als Beispiel besprochen (Richter, Regina. (1998). Interkulturelles Lernen via Internet? Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 3(2), 20 pp. Available: http://zif.spz.tu-darmstadt.de/jg-03-2/beitrag/richter1.htm)

Die Dossiers der Studierenden wurden von ihnen selbst auf ihren E-Mail-Account geladen, über den jeder Studierende und Mitarbeiter der TU Dresden die Möglichkeit hat, eine Webseite ins Netz zu stellen. Bei Exmatrikulation werden diese Accounts gelöscht, so dass nur noch ein Beispiel für ein Dossier zur Verfügung habe, das ich als PDF-Datei abgespeichert hatte: Sonja Hannemann (Deutschland) und  Natalija Ivasniova (Litauen): Geschlechterrollen in deutscher und litauischer Werbung.

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