Gedanken zu einer E-Learning-Strategie

„E-Learning-Strategie“:

  • E für elektronische Medien. Das ist heute vor allem das Internet als Informationsnetz und Mitmachnetz. Für eine Strategie zu berücksichtigen wäre also nicht nur das „Web 1.0“ als Informationsspeicher sondern auch das „Web 2.0“ mit seinen Möglichkeiten der Diskussion und Kooperation und Erzeugung von Information durch die Nutzer.
  • Learning für Lernen: Hier wäre zu berücksichtigen, wie elektronische Medien heute aktuelle Vorstellungen von Lernen (Stichwort Konstruktivismus) unterstützen und Lernszenarien entsprechend solcher Vorstellungen von Lernen ermöglichen.
  • Strategie: ein längerfristig ausgerichtetes Anstreben eines Ziels unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Strategie)

Im folgenden möchte ich kurz auf diese Punkte eingehen:

E für elektronische Medien: Wenn heute über E-Learning nachgedacht wird, darf nicht beim Internet als Informationsspeicher stehengeblieben werden. Elektronische Lernumgebungen wie OPAL werden immer noch viel zu häufig als „PDF-Gräber“ benutzt, was auch mit bestimmten traditionellen Vorstellungen von Lernen zu tun hat: Der Kundige übermittelt dem Unkundigen Informationen, welche dieser aufnimmt, übernimmt und dadurch zu einem Kundigen wird. Allerdings enthält auch OPAL die Möglichkeit kooperativen Arbeitens an inhaltlichen Problemfeldern durch die Einrichtung von Blogs, Wikis und Arbeitsgruppen, die solche Werkzeuge nutzen könnten.

Einen Einstieg in die Möglichkeiten des sogenannten „Werb 2.0“ bietet zum Beispiel das Online-Lehrbuch Web 2.0, das auch ein ausführliches Kapitel zum „Lernen 2.0“ enthält.

Learning für Lernen: Wenn über einen sinnvollen Einsatz von E-Learning nachgedacht werden soll, dann muss auch über die Frage nachgedacht werden, wie man „Lernen“ anders sehen muss. Eine erste und gute Übersicht dazu findet sich in eben diesem Online-Lehrbuch Web 2.0:

Professor Michael Wesch fasste in einem Vortrag “A Portal to Media Literacy” an der University of Manitoba wichtige Aspekte dieses Lernens 2.0 zusammen und kam zu der Schlussfolgerung, dass Lernen nicht heißt, Informationen zu erwerben. Lernen heißt, Informationen zu diskutieren, Informationen zu bezweifeln, Informationen zu kritisieren, Informationen zu teilen, Informationen zu schaffen. Lernen heißt, bedeutungsvolle Verbindungen zwischen Informationen zu erzeugen. Lernen heißt Bedeutung zu erschaffen (vgl. meinen Versuch einer Zusammenfassung seines Vortrags). Es kann also nicht nur  darum gehen, die Lehr- und Stu­dieninhalte zeitgemäß zu gestalten und aufzubereiten. Es muss darum gehen, auch mit Hilfe von E-Learning-Werkzeugen die Lernenden zu unterstützen, mit diesen Studieninhalten für sich Bedeutung zu erschaffen.

Lisa Rosa beschreibt diese neue, andere Art des Lernens, die sie für das 21. Jahrhundert für essentiell hält als „Lernen lernen lernen“:

Lisa Rosa beschreibt außerdem ein persönliches Lernnetzwerk, das sich für lebenslanges Lernen mit Werkzeugen des Web 2.0 einrichten lässt:

Man sollte darüber nachdenken, ob nicht E-Learning an Universitäten Studierende auch darauf vorbereiten sollte, ein solches Lernnetzwerk aufbauen und nutzen zu lernen.

In seiner Keynote Keynote „‚Gefällt mir!‘ – Besser Lernen mit digitalen Medien“ auf der Abschlussveranstaltung der 7. Initiative „Lernen in der digitalen Gesellschaft“ des Internet und Gesellschaft Co:llaboratory am 30.01.2013 macht Prof. Aufenanger (Universität Mainz, Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik) den engen Zusammenhang zwischen „Neuen Medien“, „Neuem Lernen“ und „Neuen Organisationsformen“ deutlich: Digitale Medien helfen wenig, wenn wir nicht unsere Lernkultur verändern und Veränderung von Lernkultur heißt auch die Veränderung von Bildungsorganisationen. In traditionellen Lehrformen und Frontalunterricht oder mit Referatedidaktik ist eine neue Lernkultur nicht möglich! Über eine Veränderung in diesem Bereich müsste also auch nachgedacht werden, wenn man Strategie als längerfristig ausgerichtetes Anstreben eines Ziels begreift. E-Learning-Szenarien sollten also weniger die bestehenden Lehr- und Lernformen ergänzen und unterstützen als vielmehr zu neuen  Lehr- und Lernformen führen!

Dass es Ansätze gibt, solche traditionelle universitäre Lehrformen zu verändern, zeigen unter vielen anderem die folgenden beiden Beispiele:

Eine Strategie muss die zur Verfügung stehenden Mittel berücksichtigen. Die technischen Mittel und Möglichkeiten sind zweifellos vorhanden, W-Lan ist an der Universität (fast) überall verfügbar und Studierende sind mit technischem Equipment sehr gut ausgestattet (vgl. unter anderem http://www.vprt.de/thema/marktentwicklung/marktdaten/mediennutzung/content/jim-studie-2012-medienausstattung-und-medien), so dass man auch außerhalb traditioneller Computerpools damit arbeiten kann (Stichwort: Bring your own device).

Schwieriger wird es wohl mit notwendigen organisatorischen Veränderungen, weil dazu vor allem auch ein neues Verständnis von Lernen und mit diesem neuen Verständnis von Lernen ein neues Rollenverständnis bei Lehrenden und Lernenden notwendig ist. Das dürfte der am schwierigsten zu realisierende, aber meiner Ansicht nach auch notwendige Teil einer E-Learning-Strategie sein.

Dieser Beitrag wurde unter Gedanken zur Hochschuldidaktik abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Gedanken zu einer E-Learning-Strategie

  1. Andrea Lißner schreibt:

    Hallo,

    Danke für diesen tollen Post!

    Das Schöne an der Abbildung von Lisa Rosa ist, dass es „Lernen“ heißt und nicht „E-Learning“: Ich hoffe, dass wir in einigen Jahren nicht mehr vom E-Learning sprechen (für viele ein Schreckgespenst), sondern einfach vom Lernen. Wir sagen ja schließlich auch nicht T-Lernen (für Tafel-Lernen) oder S-Lernen (für Buch-Lernen) – es ist einfach selbstverständlich, dass verschiedene Medien zum Lernen genutzt werden können.
    Ich finde das Wort „Referate-Didaktik“ wirklich interessant, denn ich denke, gegen ein didaktisch sinnvoll konzipiertes Referate-Seminar ist ganz und gar nichts zu sagen. Ein Beispiel aus meinem „Medien in der politischen Bildung“-Seminar (mein 3. MA-Semester): Ich sollte ein Referat über E-Portfolio-Arbeit in der politischen Bildung halten (Theoretischer Hintergrund, Best Practises, Einsatzszenarien in der pol. B.) und fragte im Vorfeld in der Facebook-Gruppe per Umfrage-Tool, wer schon was von E-Portfolios gehört hatte und welche Schwerpunkte von meinen KommilitonInnen im Referat gewünscht waren. Außerdem stellte ich schon vor dem Termin Informationen zur Software mahara online und stellte eine gemeinsame Lerngruppe darin zur Verfügung. So konnten wir die Sitzung nutzen, gemeinsam an unseren Portfolios zur Arbeiten und das alles unter dem „Deckmantel“ Referat. Die Aufgabe der Lehrenden sollte es daher sein, Studierenden offenere Gestaltungsmöglichkeiten von Referaten anzubieten und das Referat VOR ALLEM nicht auf 10 min zu begrenzen – dann lieber Gruppen-Leistungen (im Sinne des Team-Teaching). Ich weiß, dass sind Wunschvorstellungen, die bei 60 Personen in einem Seminar nicht umsetzbar sind. Trotzdem kann man an der Stelle weiterdenken, denn das Internet beschränkt die Personenzahl nicht – E-Portfolio-Arbeit oder Facebook-Gruppen können auch von ganz vielen betrieben werden.
    WIr brauchen also nciht nur auf Lerner-Seite eine neue Lernkultur, sondern auch auf Lehrer-/Dozentenseite eine neue Lehrkultur.

    • uzeuner schreibt:

      Danke für den guten Kommentar. Ja – eine neue Lernkultur braucht eine neue Lehrkultur und umgedreht genauso. Und neue Organisationsformen!
      Zu „Referate-Didaktik“: Damit meinte ich das „traditionelle“ Referat, das als Prüfungsleistung in unseren Studienordnungen steht und das – zumindest nach meiner Erfahrung aus den Geisteswissenschaften – meist so aussieht, dass eine Studentin oder ein Student zu einem Thema referiert (d.h. Literatur auswertet) und die anderen mehr oder weniger zuhören oder was anderes machen. Also klassischer Frontalunterricht. Das, was Sie beschrieben haben, ist das eben nicht. Das ist wohl eher ein Workshop.
      Dieses traditionelle Referat kommt meines Wissens aus dem 19. Jahrhundert, als Seminare klein waren und alle Teilnehmenden wirklich alles zu lesen hatten und auch gelesen haben. Dann hatte das Referat die Funktion, eine Diskussion zum Gelesenen anzuregen und das war schon sehr sinnvoll. Heute kann ich leider nicht mehr davon ausgehen, dass das Seminar wirklich die im Referat besprochene Literatur gelesen hat und dazu und zum Referat selbst etwas sagen kann – Kredits kriegt man eben nicht dafür, sondern für die Prüfungsleistung …
      Eine andere Frage ist die, wann man in seinem Berufsleben – auf das ein Studium ja irgendwie vorbereiten soll – je wieder Referate hält. Schon Mitte der 90er Jahre war für mein Fach DaF von der Arbeit an Schlüsselqualifikationen, also neben Fachkompetenz auch Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Kulturkompetenz die Rede (vgl. meinen Text hier: http://wwwpub.zih.tu-dresden.de/~uzeuner/texte/study2000/vortrag1.htm). Keine der vier kann man mit traditionellen Referaten erlernen. Für alle vier sind aber die Lernwerkzeuge sehr gut geeignet, die wir jetzt noch E-Learning-Werkzeuge nennen.

  2. Pingback: Materialsammlung für Vortrag “Landeskunde – Neue Medien” | DaF-Blog

  3. Pingback: Was ist das Web 2.0 ? | Landeskunde und Neue Medien im DaF Unterricht

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..